Grosse Kopfhörer an der Öffentlichkeit zu tragen, ist - nach dem die Töpfe in den 90ern verschwunden waren - erst wieder vor etwa 5 Jahren sozial entächtet worden. Doch wer die neuen Sony «h.ear on» Kopfhörer in der Farbe «Lime Yellow» bestellt, braucht trotzdem einiges an Selbstbewusstsein, denn die Farbe erinnert am ehesten an das schreiende «Grellow», dass die Spitzenmodelle einer Kultbikemarke der 90er auszeichnete. Für Menschen, die dezenter auftreten wollen, gibt es die Teile auch noch in Zinnober-Rot, Kohlschwarz, Bordeaux-Pink und Blau-Grün erhältlich. Doch scheinbar ist der Anblick solcher Töpfe am Kopf unterdessen so normal, dass sich niemand nach dem Tester umsah, als er die «h.ear on's» spazieren führte.
Die mit Fr. 229.-- gelisteten «h.ear on's» (Strassenpreis Fr. 199.--) stellen den zweitbilligsten Einstieg in die High-Resolution-Welt der Sony Überohr-Kopfhörer dar, die für die hochauflösenden Tonformate entworfen wurden. Das Bemühen um den perfekten Ton beginnt dabei schon beim mitgelieferten Anschlusskabel. Dieses bietet nicht nur ein eingebautes Mikrofon und die Möglichkeit, Anrufe mit allen gängigen Smartphones anzunehmen, sondern getrennte Leiter nicht nur für das Tonsignal, sondern auch für die Masse, um das berüchtigte Übersprechen zwischen den Kanälen zu minimieren, das zu matschigem Ton und schlechter Räumlichkeit führt. Dass die Stecker, um Oxidation und damit einhergehende Kontaktprobleme zu vermeiden, vergoldet sind, ist eigentlich selbstverständlich.
Die tadellos verarbeiteten Kopfhörer lassen sich für ihre Grösse angenehm kompakt zusammenklappen, so dass sie in Jackentaschen oder den beigelegten Beutel passen. Die Aluminium-Aussengehäuse fühlen sich hochwertig an und die breiten Kopfbügel bieten einen grossen Verstellbereich, der es problemlos machen sollte, die h.ear on's an so ziemlich jeden Schädel anzupassen, der ihnen unterkommt. Auch die Tragequalität ist sehr gut, wobei das Problem der warmen Ohren den Tester bis jetzt bei jedem Über-Ohr-Kopfhörer hatte, dies sich bei diesen allerdings weniger störend als bei den meisten anderen anfühlte. Dies vermutlich auch, weil die weichen, nahtlosen Polster den Druck angenehm zu verteilen mögen.
Neutral wie ein Schweizer Diplomat
Die Kopfhörer sind mit 40mm-Chassis, Titan-beschichteten Membranen und einem geschlossenen Aussengehäuse mit einer sogenannten Bass-Boost-Technik ausgestattet. Der Frequenzgang reicht bis weit jenseits des hörbaren bereiches, was sicherstellen soll, dass auch Musik mit viel Hochtonanteil verzerrungsfrei bis zum Hörlimit wiedergeben werden können. Um herauszufinden, was dies bringt, schaufelte der Tester eine bunte Mischung von High Resolution Musik-Files (die meisten in 24 Bit Auflösung mit einer Abtastfrequenz von 96 kHz) auf den Walkman hinüber (mehr zu diesem später). Das Spektrum ging von Jazz-Klassikern bis zu Dub-Mixes.
Um den Anspruch, Bässe besonders unverzerrt wiedergeben zu können, zu überprüfen, bietet sich der Titel «Dub in a Time of Cholera» von Dub Colossus sehr gut an. Das ganze Stück hindurch unterlegen sehr tiefe Bass-Sounds einen mit vielen witzigen, subtilen Details durchsetzten Mix und die «h.ear on» Phones vermochten zu überzeugen. Obwohl das Bassfundament fast schon erdrückend wirkte, wummerte nie etwas und die federleichten Percussion-Tupfer wurden ebenso wenig verschluckt wie die fetzigen Bläsersätze. Schon hier machte sich bemerkbar, wie entspannt die Kopfhörer tönten. Als ob es um nix ginge… ausser der Musik. Die wurde einfach raus geknallt, ansatzlos und blitzschnell
Dub Mixes sind ja schon ganz nett, wenn es um Bass-Sounds und Impulsfestigkeit geht. Doch es geht noch eins krasser und ganz ohne Elektronik. Das «Album Pomp and Pipes» der «Dallas Wind Symphonie» bietet mit einer riesigen Konzertorgel, Perkussion und Blechbläsern jede Menge Gemeinheiten. Wenn zum Beispiel wie beim Stück «Vikings» alles von dem zusammenkommt, kann sich so mancher Kopfhörer ganz schön daran verschlucken. Der h.ear on musste sich zwar ein wenig bemühen, aber selbst bei gemeinsten Sub-Bässen und Pauken konnte er das Klanggeschehen davor bewahren, in undifferenzierten Sumpf abzusaufen.
Seine Fähigkeiten fürs Feine durfte der Kopfhörer dann noch mit dem Kult-Klassiker von Talk Talk «Spirit of Eden» demonstrieren. Die aus Improvisationen zusammen gestellten Titel enthalten mehr musikalische Subtilitäten in einer Stunde als manche Musiker-Karrieren in ihrer Gänze. Vom leisesten mechanischen anmutenden Sirren bis zum Crescendo aus E-Gitarre, Schlagzeug und Gesang reicht das Spektrum und auch hier wieder lieferten die «h.ear on's» ganz unspektakulär und unverfärbt die Musik, lassen einen die Zerbrechlichkeit von Mark Hollis' Stimme fast körperlich spüren und die unzähligen Feinheiten völlig mühelos hören - etwas, das ungemein dabei hilft, dieses umstrittene Meisterwerk zu geniessen.
Ein unumstrittener Jazz-Klassiker ist «Time Out» von Dave Brubeck, dass vor einiger Zeit auch als High Resolution File und kanglich restauriert veröffentlicht worden ist. Die 'nackt' - praktisch ohne zusätzliche Abmischung - eingespielten Tracks lassen, was die Klangfarben angeht, keine Missverständnisse zu. Klavier, Alt-Saxophon, Schlagzeug und Bass sind alles, was zu hören ist. Und genau das bekommt man mit diesen Kopfhörern auch an die Trommelfelle geliefert.
Fazit des Kopfhörer-Hörtests: Spektakulär Unspektakulär. Die «h.ear on»-Kopfhörer gaben die Musik keinesfalls so grell wieder, wie einen die Farbe dies befürchten liess. Viel mehr versuchten sie mit Erfolg, sich vergessen zu machen und den Hörer nicht mit einem eigenen «Sound» zu «beglücken». Sie blieben einfach neutral wie ein Schweizer Diplomat auf geheimer Vermittlungsmission. Langweilig? Nicht, wenn die Musik spannend ist und für sich selbst spricht.
Der Player für gewisse Fälle
Der farblich passende Walkman mit dem eingängigen Namen «NW-A25HN» (ja, ich musste auf der Packung nach schauen) ist ein guter Begleiter für die «h.ear on's», wenn man nicht über ein High-Resolution-fähiges Handy verfügt oder keinen erweiterbaren Speicherplatz im Telefon hat, denn High Resolution Audio hat den Nachteil, dass die Files üppig Speicherplatz fressen (meist zwischen einem halben und einem ganzen Gigabyte), was beim Streamen schnell mal zu Bandbreiten- oder Volumenproblemen oder sogar beidem zusammen führt und den Telefonspeicher im Nu bis zum Limit mit Musik-Files füllt. Dank des internen Speichers von 16GB und der Möglichkeit, MicroSDXC-Karten einzusetzen, die es mit bis zu 256 GB gibt, erlaubt es dieser Walkman auch, eine Umfangreiche Musiksammlung in HiRes-Qualität mit zu nehmen.
Die mitgelieferten In-Ear-Ohrhörer sehen zwar hübsch aus und bieten eine digitale Aussenlärmunterdrückung, sind von der Soundqualität her aber nicht wirklich ausreichend. OK, für viele Konsumenten würden sogar diese einen Fortschritt darstellen, aber der Bass ist dünn, der ganze Sound recht schlapp. Vielleicht tut dieses Urteil den Stöpseln etwas unrecht. Aber nach den «h.ear on's» war das einfach zu viel Unterschied.
Der Walkman selbst bietet mit HiRes-Files bis zu 30 Stunden Wiedergabe, MP3's sogar 50 Stunden mit einer vollen Batterie und lässt sich in jeder noch so kleinen Hemd- oder Jackentasche verstauen. Er verfügt auch über einige Programme, die Qualität der Musik aufzubretzeln, wobei dies vor allem mit billigeren (wie den mitgelieferten) Kopfhörern sinnvoll sein kann. Mit der «Clear Audio+»-Einstellung tönten diese tatsächlich halbwegs annehmbar, die «h.ear on's» hingegen schienen nur mit gewissen Musik-Stilen zu profitieren (oder bei schlechteren Aufnahmen), bei guten Aufnahmen wurde der Bass aufgebläht und die Ton-Balance ging verloren.
Ebenso bietet der Walkman, die Möglichkeit verlustbehaftete MP-3-Dateien mit einem Programm namens «DSEE HX» klanglich zu verbessern - durchaus sinnvoll, wenn gewisse Titel nur in schlechter Qualität zu bekommen sind und so die verlorenen Hochtonanteile der Musik wieder hergestellt werden. Auch eingebaut ist Bluetooth mit einer speziellen Technik, Musik mit einer höheren Datenrate auf BT-Kopfhörer und Lautsprecher zu übertragen.
Doch das war es denn auch schon mit den Wireless-Fähigkeiten. Es ist ebensowenig möglich, unterwegs Musik streamen zu lassen (wenn man UKW-Radio nicht als streaming betrachtet), wie sich daheim in ein WLAN-Netzwerk einzuwählen und vom DLNA-Server Musik zu hören.
Die Bedienung über das Bedienfeld (kein Touch-Screen) ist für die Generation Smartphone vermutlich etwas Gewöhnungsbedürftig und es war auch praktisch unmöglich, einen Klangunterschied gegenüber dem Xperia Z3 Smartphone des Testers festzustellen, das ebenfalls Hi Res Files wiedergeben kann, auch wenn dieses Telefon noch nicht über den S-Master-HX-Verstärker verfügt, der nochmals etwas besseren Klang bringen soll (und in den neueren Xperia Modellen eingebaut ist).
Von dem her: Wer ein hochwertiges Telefon mit erweiterbarem Speicher und einer guten, Hi-Res-Fähigen Audio-Sektion hat, kann sich den Walkman sparen, um auch unterwegs Musik in hoher Qualität hören zu können. Für alle anderen ist es eine der günstigsten Möglichkeiten, Hi-Res-Audio mobil zu machen.
Diese beiden Einsteiger-High-End-Geräte könnten in der Lage sein, so manchem Musikfan mit sensiblen Lauschern die Welt der guten Musikwiedergabe zu eröffnen. Und wenn es nur die Einsteigerdroge ist: scheinbar geht es noch um einiges besser - zumindest wenn man der Preisliste glauben schenkt, auf der die teuersten Walkmen über Fr. 1000.-- kosten… mal schauen, ob wir hier noch mal was zum hören bekommen.
Strassenpreise (bei Anbietern, die liefern können, Stand. 1. 12. 2015): Sony Walkman NW-A25HN: Fr. 238.--, Sony Kopfhörer hear.on MDR-100: Fr. 199.00
(et/sda)